Ein bisschen Mut tut gut

Deutschlands Straßen sind grau. Weil die meisten Autokäufer bei der Wahl des Lacks auf Nummer sicher gehen. Doch auch ein buntes Auto kann stilvoll sein.

Holger Holzer/SP-X Foto: Mazda
„Wenn ich ein Karosseriedesign mit ganz klaren, scharfen Linien habe, kann ich diese beispielsweise mit Metallic- oder Perleffektlacken noch einmal perfekt betonen“
Alena Gersonde Mazda-Designerin

„Welches Auto fahren Sie?“ „Ein blaues.“ Das schale Klischee über Auto-Uninteressierte hat einen wahren Kern: Die Karosseriefarbe definiert einen Pkw für den Betrachter viel stärker als PS-Leistung oder Hubraum. Entsprechend wichtig ist es, beim Kauf ein wenig Gedankenarbeit in die Wunschfarbe des Traumautos zu investieren. Ein Tipp vorweg: Es muss nicht immer Silber sein.

Grau, Schwarz, Weiß – im bisherigen Jahresverlauf waren 78,7 Prozent der in Deutschland zugelassenen Neuwagen in einer dieser Nicht-Farben lackiert. Bunte Töne sind selten, schmücken vor allem freche Kleinwagen und extrovertierte Sportautos, seltener Crossover, fast nie eine Oberklasselimousine. Mazda-Designerin Alena Gersonde findet die monochrome Dominanz nicht per se schlimm, freut sich aber immer auch über ein wenig Farbmut. „Knallige Farben können am Auto richtig gut aussehen. Aber man muss vor allem bei großen Fahrzeugen überlegen, ob man jetzt von so einer Wand von Farbe überrannt werden möchte“, erläutert die Farb-Spezialistin aus dem europäischen Design-Zentrum der Marke.

Vor einem halben Jahrhundert sah das Straßenbild in Deutschland noch bunter aus. Orange, Grün und Gelbtöne regierten, Weiß oder Grau waren eher Farben für Lieferwagen, Handwerker-Kombis und sonstige nutzwertoptimierte Fahrzeuge. Als zunehmend Sachlichkeit und Purismus ins Autodesign einzogen, verblassten auch die Farben. Dazu kam in Deutschland das immer stärker werdende Phänomen der Dienstwagen, die mittlerweile auf einen Anteil von zwei Dritteln an allen Autoverkäufen kommt. Viele Firmen schließen in ihren Fahrzeug-Vereinbarungen schrille und auffällige Farben aus. Nicht nur aus Image-Gründen, sondern vor allem wegen des Wiederverkaufswerts. Umso mehr die durchschnittliche Haltbarkeit der Fahrzeuge wuchs, desto wichtiger war es, dass ein möglicher Nachbesitzer nicht durch eine zu extreme Farbwahl abgeschreckt wurde.

Wer einen Neuwagen kauft, sollte daher durchaus auch an später denken. Muss es trotz allem eine besonders extravagante Lackierung sein, ist möglicherweise die Folierung eine Alternative. Die Kunststoffschicht kann beim Weiterverkauf spurlos entfernt werden, so dass ein gegebenenfalls eher gedeckter Originallack wieder zum Vorschein kommt.

Aber längst nicht alle Farben jenseits von Schwarz-Grau sind Restwert-Killer. In vielen Fällen kann der richtige Lack ein schönes Auto noch schicker machen. „Wenn ich ein Karosseriedesign mit ganz klaren, scharfen Linien habe, kann ich diese beispielsweise mit Metallic- oder Perleffektlacken noch einmal perfekt betonen“, rät Gersonde.

In den Aufpreislisten der Autohersteller finden sich mittlerweile zahlreiche Effekt- und Sonderlacke, die matt glänzen oder je nach Lichteinfall changieren. Mazda beispielsweise treibt einen erheblichen Aufwand beim Lackieren, trägt etwa den Rotton „Soul Red Crystal“ gleich in mehrere Schichten auf. Und nutzt auch darüber hinaus gerne spezielle Verfahren. „Wir wollen einen besonderen, handwerklichen Charakter in den Lack bekommen. So wie bei Messestudien, die noch von einem Menschen per Hand lackiert werden. Um diesen Effekt zu kreieren, wurden die Lackier-Roboter von Mazda so programmiert, dass sie eben auch verschiedene Abstände und verschiedene Winkel einnehmen und nicht einfach nur schnell über das Auto ‚rüberfahren‘.“

Wer sich beim Autokauf an aktuellen Farbtrends orientieren will, findet bei Autoherstellern zurzeit viele helle Blau- und Grüntöne. Und auch verschiedene Schattierungen von Weiß und Silber. Insgesamt herrschen laut Gersonde eher kalte und zurückhaltende Lacktöne vor. Auch getrieben durch E-Autos, die häufig besonders pur und rein wirken sollen. „Ich vermutet aber, dass dieser Trend irgendwann kippt und dass wieder mehr Expression und mehr Mut in die Farbpalette einzieht“, prognostiziert Gersonde. Auf der IAA in München waren etwa bereits zahlreiche rote Modellneuheiten zu sehen.

Auch jenseits des eigenen ästhetischen Empfindens gibt es bei der Farbwahl aber einige Punkte zu beachten. So wirken helle, in Blau- oder Silbertönen gehaltene Autos oft sauberer und neuer, weil man auf ihrem Lack Kratzer und Staub nicht so stark sieht wie auf dunklen Modellen. Wer ein ordentlich wirkendes schwarzes Auto will, muss regelmäßig zur Wäsche. Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit: Helle Autos oder Fahrzeuge in leuchtenden Farben sind im Straßenverkehr generell besser zu sehen. Schwarze und graue Pkw verschwinden in der Dämmerung oder bei trübem Licht schnell in den Schatten von Bäumen und Gebäuden. Nicht zuletzt spielen die Reparaturkosten eine Rolle. Metallic- und andere Effektlacke sind zwar wegen ihrer Klarlackschicht relativ widerstandsfähig, Nach- oder Neulackierungen sind aber ziemlich teuer.

Erlaubt ist am Ende aber wie bei den meisten Konsumartikeln fast alles, was gefällt und vom Budget gedeckt wird Die Autodesigner treffen allerdings bei den meisten Herstellern eine Vorauswahl, haben oft Lieblingsfarben und verbannen komplett unpassende Töne aus dem Angebot. Das gilt zumindest bei Mazda auch für die Kombination von Innen- und Außengestaltung. Beißen sich zwei Töne zu sehr, sind sie nicht zusammen bestellbar. Wirklich schwerwiegende Fehler bei der Wahl der Lackfarbe kann man als Autokäufer hier also kaum machen.