Reparaturkostenersatz bei Haftpflichtschaden

Auf größtes Interesse der Branche trifft der Arbeitskreis IV beim 61. Deutscher Verkehrsgerichtstag in Goslar, der sich mit dem Reparaturkostenersatz bei Haftpflichtschäden beschäftigt. Der ADAC war mit seinen Experten in allen Arbeitskreisen sowie einem eigenen Pressestand in Goslar vertreten.

In Kürze: Der Arbeitskreis befasst sich mit dem Umfang des aufgrund eines Verkehrsunfalls zu leistenden Schadensersatzes bezogen auf die zur Reparatur des Fahrzeugs erforderlichen Kosten.

Im Einzelnen:
In diesem Zusammenhang wird zum einen die Frage behandelt, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung (noch) angemessen erscheint, wonach unter bestimmten Voraussetzungen wegen des Interesses des Geschädigten, sein ihm vertrautes Fahrzeug zu behalten, die Kosten einer an sich unwirtschaftlichen Reparatur des Fahrzeugs zu erstatten sind, wenn die Reparaturkosten 130 % des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs nicht überschreiten (sog. 130-%-Rechtsprechung). Zum anderen wird der Arbeitskreis diskutieren, inwieweit der hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherer befugt ist, die Berechtigung der geltend gemachten Reparaturkosten zu überprüfen. In der Praxis werden zu diesem Zweck häufig so genannte Prüfberichte eingeholt, welche das vom Geschädigten eingeholte Gutachten ohne erneute Besichtigung des Fahrzeugs inhaltlich überprüfen, um so die aus Sicht des Haftpflichtversicherers objektiv erforderlichen Kosten zu ermitteln. In diesem Zusammenhang wird es um die Bedeutung derartiger Prüfberichte bei der prozessualen Durchsetzung im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast gehen. Ferner stellt sich aufgrund des vom Schädiger zu tragenden Werkstattrisikos die Frage, inwieweit überhaupt mögliche objektiv nicht erforderliche, jedoch tatsächlich entstandene Reparaturkosten zu einer Anspruchskürzung führen.

Nach Überzeugung des ADAC besteht ein nachvollziehbares Interesse der Geschädigten, auch eine auf den ersten Blick unwirtschaftliche Reparatur durchführen zu lassen. Unfallgeschädigte haben oftmals nicht die finanziellen Möglichkeiten oder das Interesse, ein Ersatzfahrzeug zu erwerben, gerade vor dem Hintergrund des aktuell „ausgedünnten“ und hochpreisigen Gebrauchtwagenmarkts. Das vom BGH bestätigte Recht des Geschädigten, einen wirtschaftlichen Totalschaden bis zur 130%-Grenze zu reparieren, ist daher in der Sache begründeter denn je.

Jeder Unfallgeschädigte kann nach geltendem Recht frei entscheiden, ob er sein Fahrzeug auf Rechnung reparieren lässt (konkrete Abrechnung) oder sich die erforderlichen Reparaturkosten auszahlen lässt (fiktive Abrechnung). Dennoch werden Schadensersatzansprüche in der Praxis immer wieder von Kfz-Versicherern unzulässig bestritten oder gekürzt. So werden Positionen etwa für die Verbringung zum Lackierer, Kosten einer Beilackierung, Ersatzteilaufschläge und zahlreiche Kleinpositionen im Rahmen der Softwareüberprüfung automatisch gestrichen, obwohl der Geschädigte hierauf nach der einschlägigen Rechtsprechung auch bei fiktiver Abrechnung Anspruch hat. Aber nur wer seine Rechte kennt und sie anwaltlich durchsetzt, bekommt sie erstattet. Spätestens wenn die Klage eingereicht ist, wird doch gezahlt.

Aus Sicht des ADAC ist unstreitig, dass dem Kfz-Haftpflichtversicherer das Recht zur Überprüfung von Reparaturkosten zusteht. Dabei muss aber Fairness erwartet werden können. Diese ist dann nicht gegeben, wenn Versicherer übermäßig und entgegen herrschender Rechtsprechung mit der Hoffnung kürzen, dass die meisten Geschädigten auf die weitere Verfolgung verzichten, sei es aus Unkenntnis oder aus Sorge um das Prozessrisiko.

Der ADAC rät daher Betroffenen, sofort nach einem Unfall selbst einen Fachanwalt für Verkehrsrecht einzuschalten. Was viele dabei nicht wissen: Die Anwaltskosten hat der Unfallverursacher zu zahlen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Unfallopfer nicht übervorteilt wird.