Risiko überhöhter Werkstattkosten

Unfallverursacher müssen nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich die gesamte Werkstattrechnung erstatten - auch dann, wenn die Rechnung möglicherweise überhöht ist. Das BGH hat dazu geurteilt.

Der Bundesgerichtshof hat in gesamt fünf Entscheidungen klargestellt, dass nach einem Verkehrsunfall der Geschädigte sein beschädigtes Auto selbst zur Reparatur in eine Werkstatt bringen darf, beziehungsweise die Reparaturkosten von dessen Versicherung verlangen. Bereits nach der bisherigen Rechtslage war es so, dass nach einem Verkehrsunfall der Unfallverursacher das „Werkstattrisiko“ zu tragen hat. Das heißt: Der Unfallgeschädigte darf die gesamte Werkstattrechnung verlangen, auch wenn die Werkstatt unwirtschaftlich bzw. unsachgemäß gearbeitet hat und dadurch die Reparatur teurer wurde. Dies ist auch denn gültig, wenn der Geschädigte dies nicht erkennen konnte.

Hintergrund ist, dass in der Regel der Geschädigte nicht das nötige Fachwissen hat, um den Unfallschaden am Unfallwagen und die dafür entstehenden Reparaturkosten zu beurteilen. Der Unfallverursacher kann im Gegenzug aber bzw. dessen Versicherung sich an die Reparaturwerkstatt wenden und sich so die eventuell zu hohen Kosten zurückverlangen.

Der BGH stellte nun fest, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn einzelne Reparaturschritte eventuell gar nicht durchgeführt wurden, obwohl sie berechnet wurden. Im zugrundeliegenden Fall waren laut Rechnung Transportkosten für Lackierarbeiten angefallen. Und das, obwohl die Werkstatt über eine eigene Lackiererei verfügt. Der Versicherer weigerte sich deshalb, dem Geschädigten auch diese Kosten zu erstatten. Laut BGH muss die Kfz-Haftpflichtversicherung dies aber tun. „Denn auch insofern findet die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre statt“, so der Vorsitzende Richter des VI. Zivilsenats, Stephan Seiters, in der Urteilsverkündung.

Dieser Grundsatz darf aber nicht dazu führen, dass sich der Unfallgeschädigte auf Kosten des Unfallverursachers oder dessen Kfz-Haftpflichtversicherung bereichert. Daher darf er für den Fall, dass die Rechnung noch nicht beglichen wurde, nur Zahlung direkt an die Werkstatt, nicht aber an sich selbst verlangen.

Folgendes Szenario sollte dadurch verhindert werden: Zahlt die Versicherung zunächst den gesamten Rechnungsbetrag - inklusive der überhöhten Kosten - an den Unfallgeschädigten, könnte der Geschädigte die Rechnung bei der Reparaturwerkstatt begleichen - und sich anschließend von dieser den überhöhten Teil der Rechnung zurückholen. Damit wären nicht nur die Rechnung beglichen, sondern er hätte einen zusätzliches Betrag vom Unfallverursacher erhalten. Dies ist ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.

Immer wieder kommt es nach Verkehrsunfällen zu Streitigkeiten wegen überhöhter Reparaturkosten zwischen der Versicherung und dem Unfallgeschädigten. Mit den aktuellen Urteilen stärkt der BGH die Rechte der Geschädigten. Das Gericht machte aber auch deutlich, dass die oben genannten Grundsätze nur auf Reparaturkosten anzuwenden sind, die tatsächlich auf den Unfall zurückzuführen sind. Geschädigte dürfen die Reparatur nicht ausnutzen, um Instandsetzungsarbeiten ausführen zu lassen, die in keinem Zusammenhang mit dem Unfall stehen.
AZ: VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22 und VI ZR 51/23

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist berechtigt, sein beschädigtes Fahrzeug zur Reparatur in eine Werkstatt zu geben und vom Unfallverursacher den hierfür erforderlichen Geldbetrag zu verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Kfz-Unfällen zuständige VI. Zivilsenat hat über fünf Revisionen entschieden, in denen sich in unterschiedlichen Konstellationen die Frage stellte, wer das Risiko trägt, wenn der Unfallverursacher einwendet, die von der Werkstatt gestellte Rechnung sei überhöht (sog. Werkstattrisiko).


Für die zu entscheidenden Verfahren bedeutete dies Folgendes >>